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nicht alles ist immer gold

Wer bis hierhin gelesen hat und nun den Eindruck gewonnen hat, in der bunten butze würde alles wie am Schnürchen klappen, irrt. Durch eine Nachrichtengruppe tauschen wir uns über Fortschritte und Misserfolge aus, wir geben uns gegenseitig bestärkendes oder ermutigendes Feedback und schicken Fotos hin und her. So wissen alle – wir sind immerhin schon eine Gruppe von über 20 Menschen – regelmäßig über anstehende to dos oder Hilfegesuche bei kurzfristigen Unwägbarkeiten Bescheid. Zum Beispiel wenn plötzlich eine Lieferung Hanf, Lehm oder Steine kommt, die noch aufs Dach muss und die beschäftigten Handwerker keine Zeit dafür haben oder wegen der Verzögerung sofort das gesamte Material oben benötigen. Oder wenn unangekündigt elektrische Geräte geliefert werden, die dann auf der Straße stehen und an eine Stelle müssen, die eigentlich noch nicht ganz fertig vorbereitet ist. Ein all-time-Klassiker ist endlos scheinendes Abspachteln jahrzehntealter Tapete (über manchen Quadratmetern vergeht ein ganzer Arbeitstag), das Abkratzen von Lehmbrocken vom Fußboden, die wegen der Kälte nicht schnell genug durchtrocknen konnten und wieder von der Wand oder Decke abgefallen sind (die Bauplanung sah die Lehmarbeiten eigentlich mal für den Spätsommer vor, dann wäre es nicht zu kalt gewesen). Auch Fußbodenreste entfernen oder der dritte Anstrich im neuen Laden, weil die Spritzdüse verstopft ist und niemand vom butzeKern genug ausgebildet, um das 200bar bedruckte Supergerät adäquat zu bedienen, gehören zu Aufgaben, an denen wir manchmal für ein paar Momente verzweifeln.

Da ist es gut, dass es den Pfannkuchenmittwoch gibt, dass wir uns bei den Arbeitseinsätzen am Wochenende gegenseitig mit Liebe bekochen, dass immer irgendjemand einen besonderen treat, eine gut gelaunte Musikauswahl (ein Hoch auf gemeinsam verwaltete Playlisten!) oder einfach Spaß am Geschehen hat, dies in einem Bild oder Video festhält und mit den anderen teilt. Denn am Ende des Tages ist es trotzdem immer wieder erstaunlich, was alles geleistet wurde, was gemeinsam umgesetzt wurde und wie viele Meilenstiefelschritte wir wieder vorangekommen sind. Obwohl es sich am Morgen nicht danach angefühlt hat.

Zwischenmiete erwünscht

Als wir im Frühsommer (siehe Blogeintrag vom 01.06.2020) beschlossen, die Seite der Hans-Löscher-Straße zur temporären Zwischenmiete freizugeben, hatten wir keine Vorstellung davon, ob und wie das Angebot angenommen werden würde. Falk hatte für die Idee Kontakt aufgenommen zum International Office der Otto von Guericke Universität – die uns versicherten, dass sich Mietende finden lassen würden. Spätestens zum Semesterstart im September wäre der Vermietungsbeginn also günstig. Das stellte uns vor die Herausforderung, einen fixen Termin einhalten zu müssen. Auch zuvor hatte es schon Verbindlichkeiten und Termine gegeben; ein Nichteinhalten hätte allerdings höchstens unser Vorhaben verlängert oder vielleicht etwas verkompliziert. Hier nun gingen wir eine erste Verbindlichkeit ein, noch dazu mit einem so großen Partner wie der hiesigen Universität.

Die kleinschrittige Arbeit in den Zimmern der verschiedenen Wohnungen (wir nannten sie Hamburg, Hildesheim, Lima, Oberammergau, Bielefeld, Tallinn, Kassel) wurde zu einer meditativen Aufgabe – Frithjof und Falk besorgten das Mobiliar, der butzeKern verwaltete gemeinsam eine Liste an noch benötigten Gegenständen und recherchierte bei ebay Kleinanzeigen und lokalen Anbietern, Mia machte die Grundreinigung und besorgte die innenarchitektonische Ausrichtung der Fundstücke. Peu à peu entwickelten sich die Wohneinheiten wirklich zu bezugsfertigen Zimmern mit Servicecharakter. Und wie ein Elternteil das fertig zusammengestellte Fahrrad aufgeregt in die Hände des Kindes gibt, so warteten wir auf den Moment der ersten Schlüsselübergabe. WG-Anzeigen auf deutsch und englisch wurden veröffentlicht, sogar Luftaufnahmen des Gebäudes mit Drohne angefertigt, besonders die Lage im Viertel und die Möglichkeiten vor Ort hervorgehoben. Und es dauerte tatsächlich nur ungefähr zwei Wochen, bis die ersten Besichtigungen abgehalten werden konnten. Falk gab die ersten Haustouren, sicher wie ein Fisch im Wasser – die anderen Mitglieder des butzeKerns sprachen sich zu dem Zeitpunkt immer noch einmal untereinander ab: “Hast du die Tour auf englisch gemacht? Musstest du irgedwas verhandeln? Was sollten wir nicht vergessen zu erzählen? Um welches Zimmer geht es nochmal?”. Woche für Woche wurden immer mehr Zimmer vergeben; schon im Juli zogen die ersten Menschen in die bunte butze ein. Zunächst wäre es merkwürdig gewesen zu wissen, dass das Haus ansonsten komplett leerstand, so meinten die ersten Bewohner. Vor allem nachts. Doch das sollte sich sehr bald ändern – so schnell, dass auch der butzeKern überrascht war.

“Wir haben hier ein Angebot geschaffen, für das es offensichtlich eine ungestillte Nachfrage gibt. Das Konzept ist ja: Miete für deinen Bedarf – mindestens vier Wochen wären nett. Außerdem verlangen wir keine Kaution und rechnen die verbrauchten Nebenkosten nicht noch einmal im Nachhinein ab. Die Leute wissen, was auf sie zukommt: es gibt einen festen Preis und keine Überaschungen. Wir kalkulieren auf unser Risiko, vertrauen den Mieter*innen und ihrem verantwortungsbewusstem Umgang mit dem Gebäude und unseren eingebrachten Einrichtungen. Dafür bleibt das Verhältnis ein sehr Menschliches.” (Falk)

Viele verschiedene Nationen sind mittlerweile, Ende des Jahres 2020, in der bunten butze versammelt. Portugal, Estland, Tadschikistan, Marokko, Ägypten, Usbekistan, Mongolei, Jordanien und Indien garantieren eine wirklich bunte butze. Immer wieder kommt es vor, dass der Eine oder die Andere auszieht. Nicht, ohne sich vorher bei Falk und dem butzeKern herzlich zu verabschieden, zu danken und weiter zu ziehen. Jedes Mal dauert es keine Woche bis das freigewordene Zimmer wieder vergeben werden kann. Es tut gut, die bunte butze bereits vor Sanierungsbeginn in einem belebten Zustand zu sehen. Wer in den Abendstunden durch Stadtfeld Ost spazieren geht, kann die mit Fingerfarbe gemalten Fensterbilder nun auch leuchten sehen. Und nicht nur das: die Menschen in den 22 Zimmern bleiben in der Hans-Löscher-Straße nicht für sich. Die Sorge, die wir anfangs hatten: nämlich dass mit regelmäßig wechselnden Mieter*innen sich vielleicht bestimmte Mietgruppen nicht ausreichend sicher fühlen könnten – sie bestätigt sich nicht.

“Bei einem Besichtigungstermin stand ich am Ende mit der Interessentin bereits draußen auf der Straße, in den letzten Zügen des Gesprächs. Wir hatten gerade darüber gesprochen, ob es für die Zimmer Schlüssel gebe, damit auch innerhalb des Hauses und der Wohnungen ein gewisses Maß an Sicherheit gegeben sein könnte. Da spazierte ein aktueller Mitbewohner auf das Haus zu. Ich stellte ihm die Interessentin vor und es entspann sich sofort ein Gespräch zwischen den Beiden – er berichtete über die Zusammensetzung und wer wem womit schon mal geholfen habe. Ich hatte sogar Schwierigkeiten, mich zu verabschieden, so lange sprachen wir miteinander.” (Mia)

Die Interessentin zog schlussendlich ein. Und immer wieder hören wir davon, mit welcher Selbstverständlichkeit in der bunten butze Austausch und Gespräch entstehen. Und nicht nur das: die Verbindungen zwischen den Menschen sind teilweise sehr freundschaftlicher Natur. In einer Gesellschafter*innenversammlung wurde eine erste Übersicht diskutiert, welche Wohnungen von wem nach der Sanierung genutzt werden wollen und welche noch frei bleiben. In diesem Zusammenhang haben wir auch eine Wohngemeinschaft für drei der aktuellen Mieter*innen blockiert, die sich in der bunten butze kennen und schätzen gelernt haben und den butzeKern baten, eine Wohnung für sie zur gemeinschaftlichen Nutzung zu sichern. Und der butzeKern freut sich sehr darauf, sie auch nach der Sanierung als Teil der Hausgemeinschaft zu wissen.

Arbeit und Familie

Statt einen Einblick in das Tagesgeschehen der bunten butze zu geben, soll dieser Beitrag einen Blick auf die Zukunft werfen. Gleichzeitig ist dieser Blick einer, der zu den entferntesten Anfängen des gemeinsamen Projekts führt. Als sich der butzeKern noch nicht als Kern verstand, als im Freundeskreis zum ersten Mal der Gedanke an ein gemeinsames Hausprojekt an die Bewusstseinsklippen gespült wurde (und zunächst schnell wieder untertauchte), da tauchte eine Idee auf, die unter dem Schlagwort “co-working toddler” firmierte. Gemeint war die Frage, warum eigentlich Familie und Karriere Gegensätze bleiben müssten.

Eben jener Freundeskreis ist einer, für den Kindererziehung und Familienalltag als ein zwischen den Partnern zu behandelndes Thema verstanden wird. Der Anspruch ist: Gleichberechtigung. Viele Menschen in unserem Umfeld beschäftigen sich mit feministischen Fragestellungen, weitere schauen auf die Herausforderung eher aus einem pragmatischen Blickwinkel und noch andere wollen vor allem ein solidarisches und kollegiales Miteinander (sofern dieser Begriff in einer Familie passt). Aus welchem Kontext auch immer die Menschen kommen, sie alle scheitern mitunter an dem Komplex, nach Schwangerschaft und Elternzeit in einer für ihre beruflichen Ansprüche passenden Art wieder einzusteigen. Für manche liegt dies an organisatorischen Aspekten (Fahrzeiten, Arbeitszeiten und erwartete Anwesenheiten, Dienstreisen), weitere fühlen sich getrieben von eigenen wie fremden Ansprüchen und noch andere stoßen an Grenzen im Umgang und in Verhandlungen über Machbarkeiten mit Vorgesetzten und Kolleg*innen.

Wenngleich öffentliche Stellen Formen der “Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf” bewerben (ein Farce übrigens das Elterngeld plus! Wer während der Elternzeit wieder einsteigt, bekommt nicht gestrecktes Elterngeld, sondern einfach weniger – es ist wie die Grundsicherung/Hartz IV; in beiden werden Einkünfte derart  angerechnet und damit faktisch von der Solidarischen Hilfe abgezogen; und das ab einem monatlichen Zusatzeinkommen, das diesen Namen nicht verdient, so gering ist es.), so bleibt die Realität doch oft dahinter zurück und müssen sich selbst aufgeklärteste Kernfamilien von ihren Idealen lösen und pragmatische Anpassungen vornehmen. Oft gehen diese Anpassungen mit geringeren Arbeitszeiten (als gewünscht) einher, oder mit Verantwortungseinbußen oder aber mit emotionalen Rückstellungen (im schlimmsten Fall: gegenüber dem eigenen Kind, das – oft noch sehr klein – die plötzlichen drastischen Veränderungen am wenigsten begreift).

 

… Genug Kritik.

Die Idee, die Andrin aus dem Biotop in eines unserer Gespräche mitbrachte, war ein Konzept, so einfach wie genial. Natürlich würde es nicht alle Probleme lösen; aber dass eine solche Idee nicht schon längst in mehreren Modellvorhaben umgesetzt worden sein sollte, war schwer nachvollziehbar. Ein Co-Working-Space, gedacht nicht nur für (wie üblich) Freiberufliche, sondern auch für Angestellte. In unmittelbarer Umgebung zu diesem, eine Kinderbetreuung für die Allerkleinsten, also eine private Tagespflege. Was sich manch große bis riesige Unternehmen (wie Bosch oder Apple) leisten, weil es die Motivation der Angestellten massiv fördert, sollte doch auch im kleineren Rahmen machbar und erfolgreich sein.

Diese Idee fand im Gespräch derart viel Zuspruch, dass – ohne dass wir es wussten – ein wesentlicher Teil unseres Finanzierungskonzepts geboren war. Nur wollten wir auch hier nicht stehen bleiben. So sehr Kindertagespflegen schon allein aus sozialen Gründen zu unterstützen sind, so trieb uns doch eine zweite Frage um: was geschieht mit den Räumlichkeiten nach dem Betriebsende der Kita UND ist es nicht Platzverschwendung, wenn sowohl der Co-Working Space als auch die Kindertagespflege jeweils Möglichkeiten zum Essen einnehmen haben sollen, die sonst gar nicht zu den wesentlichen Räumen des Geschäftsbetriebs gehören? Die erste Frage haben wir verschoben – derlei sollte niemals ohne die konkreten Betreibenden entschieden werden, aber die zweite Frage schien uns verhandelbar. Und so landeten wir sehr schnell und einfach bei der Idee, für den Co-Working Space sowie die Kinderbetreuung einen gemeinsamen Raum zu schaffen, der den hygienischen Bedingungen standhalten und Synergieffekte nutzen kann: eine gemeinsame Küche.

Auch hier noch bedarf die Idee weiterer Schleifprozesse. Viele Fragen sind noch offen. Wer kocht? Oder lassen wir liefern? Wer ist das Personal für den Küchenbetrieb? Können auch hier Synergien genutzt werden? Kann eine Küche für den Co-Working-Space auch Platz für die After-Work-Hour bieten und wenn ja, wie? Erhalten die Mietenden des Co-Working dann selbst einen Schlüssel zur Küche oder müssen sie sich an bestimmte Öffnungszeiten halten? Wie können wir hier weiter Services bieten, die vielleicht sogar durch alle Akteure des Hauses gemeinsam verantwortet werden? Wie schaffen wir es, auch den Co-Working-Space-Mietenden ein Gefühl für das ganze Haus zu geben? Können wir für die Kindertagespflege noch schöne Angebote in der unmittelbaren Umgebung des Hauses schaffen? Können wir die Bestimmungen der Verordnung für den Kitabetrieb einhalten? Welche Herausforderungen kommen dort noch auf uns zu?

Mit dem Jugendamt der Stadt Magdeburg sind wir zumindest bereits in einem ersten Gespräch. Wir freuen uns auf einen ersten Termin zur Begehung. Auch Tagesmütter haben wir gefunden, die die Idee unseres Konzepts mittragen und nun dabie unterstützen, den Bauantrag für den Kitabereich fertig zu stellen. Wir sind gespannt, wie sich der erste Rahmen nun mit Farben und Formen füllen wird.